Verkehrswende-Projekte wie eine autoarme/autofreie Innenstadt, die City-Maut, Tempolimits oder die Umwidmung von Autoverkehrsflächen für den Umweltverbund stoßen im Vorfeld oft auf vehemente Ablehnung. Diese Ablehnung wird auch Status-Quo-Bias genannt: Menschen hegen oft eine irrationale Vorliebe für den gegenwärtigen Zustand und sträuben sich gegen Veränderungen, z.B weil für sie der erwartete Verlust schwerer wiegt als der potenzielle Gewinn, welchen sie häufig im Vorfeld nicht richtig einschätzen. Ähnlich häufig schlägt die vorherige Ablehnung jedoch nach der Durchführung der Maßnahme in Zustimmung um, wenn die Menschen merken, dass sich ihre Lebensqualität verbessert hat.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Umsetzung der autoarmen Innenstadt im belgischen Gent. Das Projekt wurde 2 1/2 Jahre lang vorbereitet und die Proteste waren erheblich: Geschäftsleute befürchteten, dass die Innenstadt sterben und niemand mehr nach Gent kommen würde. Einige politische Parteien versuchten, aus der Negativstimmung politisches Kapital zu schlagen und der verantwortliche Vize-Bürgermeister Filip Watteeuw erhielt sogar Morddrohungen.
Zum Zeitpunkt der geplanten Umsetzung hatten zahlreiche Medien ihr Quartier in Gent aufgeschlagen, um über den erwarteten Stau und die Verkehrsprobleme zu berichten. Aber als es soweit war, bemerkten die Leute, wie angenehm die neue Situation ist und die Stimmung schlug um. Watteeuw berichtet, wie er mit Journalist:innen eine Fahrt mit dem Fahrrad durch Gent machte und die Leute hätten überall gesagt: "Glückwunsch, sehr gut, wir sind sehr zufrieden damit". Alles verlief reibungslos und die Medien mussten zugeben, dass es ein guter Plan sei und er funktioniere.
Die ÖPNV- und Radnutzung stieg deutlich an, der Autoverkehr entlang der Hauptradrouten reduzierte sich um 40% und die Luftqualität in der Innenstadt verbesserte sich. Ein Bürger sagte zu Watteeuw: "Jetzt höre ich andere Dinge als vorher, vorher hörte ich Autos, Autos, Autos, und jetzt höre ich Vögel, ich höre den Klang der Stadt, wie sie ist".
Bei der Wahl ein Jahr später wurde Watteeuw mit deutlich mehr Stimmen als zuvor wiedergewählt.