Wie macht man den Menschen die Klimapolitik schmackhaft? Es könnte nämlich für alle teuer werden. Viele Experten aus der Wissenschaft und ein Teil der Politik, vor allem die FDP, liebäugeln mit einem „Klimageld“. Das hat es sogar bis in den Koalitionsvertrag der Ampel gebracht, allerdings noch nicht auf die Konten der Bürger. Das Klimageld soll die Akzeptanz der Klimawende erhöhen und für eine faire Lastenverteilung sorgen. Aber wollen die Menschen das Klimageld überhaupt? Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen. Das Klimageld ist die Antwort auf die Bepreisung der CO2-Emissionen. Seit 2021 wird an den Tankstellen ein Aufschlag auf Diesel und Benzin verlangt als Ausgleich für die „Verschmutzung“, die Verbrenner auf den Straßen anrichten. Derzeit sind das 30 Euro pro Tonne CO2, woraus sich ein Aufschlag auf den Liter Benzin von 9 Cent und auf den Liter Diesel von 10 Cent ergibt. Der CO2-Preis soll weiter steigen – mutmaßlich auf 40 Euro im kommenden Jahr und auf 50 Euro im Jahr 2025.Geht es nach vielen Ökonomen, müsste es rasch noch viel teurer werden, soll Deutschland bis 2050 klimaneutral werden (was, nebenbei bemerkt, nicht bedeuten muss, dass der Klimawandel aufgehalten würde). Die Rede ist von 200 bis 300 Euro vom Jahr 2030 an. Würde dies eins zu eins auf den Sprit umgelegt, wäre der Liter Diesel dann um einen Euro teurer als heute, würde also – bliebe alles andere konstant – rund 2,90 Euro statt heute 1,90 Euro kosten. Als Festbetrag für jedermann Politiker wollen zwar einerseits Klimamusterknaben sein, andererseits fürchten sie die Strafe der Bürger an der Wahlurne für die Verteuerung des CO2-Ausstoßes. Dabei geht es nicht nur um die Zapfsäule, sondern auch ums Heizen (Stichwort Wärmepumpe) und Dämmen. Eine unter Politikern beliebte Strategie ist es deshalb, laut über die hehren Klimaziele zu sprechen, aber besser nicht über die Kosten, und den CO2-Preis bei jeder neuen Krise (Corona, Ukrainekrieg) moderater anzuheben als geplant und Strom und Sprit klimafeindlich zu subventionieren. Ehrlicher und fairer wäre es, der Staat würde die CO2-Einnahmen wieder an die Bürger ausschütten. Und zwar komplett und als Festbetrag für jedermann. Ärmere, die weniger fossile Energie konsumieren als Reichere, erhielten denselben Eurobetrag. Eine Beispielrechnung des Mercator Instituts für Klimaforschung geht so: Einer vierköpfigen Familie mit Einfamilienhaus auf dem Land würde in den ersten Jahren Klimageld in Höhe von rund 3000 Euro zufließen – während sich der Betrieb ihrer Ölheizung aufgrund der CO2-Abgabe lediglich um 1500 Euro verteuert und auch der Spritpreis noch moderat bleibt. Allerdings sinkt das Klimageld Jahr für Jahr – weil immer weniger fossile Brennstoffe verkauft werden, wenn sich Wärmepumpen und Elektroautos durchsetzen. Entsprechend weniger CO2-Abgaben landen im Klimafonds. Im Jahr 2040 etwa könnte die Musterfamilie wohl nur noch mit 1200 Euro Klimageld im Jahr rechnen – während ihre Heizölkosten mit 2200 Euro dann deutlich darüber liegen. Hierin liegt der Anreiz, besser früher als später auf eine klimafreundliche Heizung und auf ein E-Auto umzusteigen. Die Finanzverwaltung kriegt es nicht hin So weit die Theorie. Nun zur Empirie. Erstens: Warum gibt es das Klimageld nicht längst, wenn es doch eine Ampel-Absprache gibt? Kurze Antwort: weil die Finanzverwaltung das nicht hinkriegt. Zweitens: Verstehen die Menschen den Zusammenhang von CO2-Abgabe und Klimageld? Zweifel sind angebracht. Eine Erhebung des Rheinisch-Westfälischen Instituts (RWI) von Anfang September hat ergeben: Viele kennen die Wirkungsweise und die Folgen des CO2-Preises nicht. Über 60 Prozent fühlen sich eher schlecht oder sogar sehr schlecht informiert. Über 80 Prozent der Befragten wissen zwar, dass der CO2-Preis auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas aufgeschlagen wird. Allerdings schätzen sie den Aufschlag grob falsch und den derzeitigen Preis viel zu hoch ein. Noch komplizierter wird es, den Zusammenhang zwischen CO2-Preis und einer späteren Überweisung des Finanzministers (oder einer Reduktion der Steuerschuld) allein gedanklich zusammenzubringen. Schließlich drittens: Wenn man es ihnen gut erklärt, wollen die Menschen dann ein Klimageld? Antwort: kommt sehr darauf an. Michael Pahle vom Potsdam Institut für Klimaforschung hat zusammen mit Kollegen gefragt, ob die Menschen ihre CO2-Abgaben lieber für ein Klimageld oder für „grüne Investitionen“, vulgo Subventionen (Windparks, Stromtrassen, Ladestationen im Keller der Villa) verwendet sehen wollen. Und siehe da: Die Akzeptanz teurer Emissionspreise steigt mit dem Versprechen zusätzlicher Klima-Subventionen, aber nicht mit der Aussicht auf direkte Rückverteilung. Offenkundig leuchtet den Menschen eher ein Zusammenhang zwischen einer Spritpreis-Verteuerung mit der Förderung von Windparks ein als mit einem Scheck des Finanzamtes. Wenn mit meinem Geld ein Stromkabel von der Nordsee nach Oberbayern („Suedlink“) finanziert wird, verschafft das ein „gutes Gefühl“ („warm glow“), etwas Sinnvolles fürs Klima zu tun. Die Abgabe hinterher wieder auszuschütten, führt im schlimmsten Fall sogar zu einem schlechten Gewissen. Grüne Wohltaten bekommen in solchen Umfragen mit Abstand die größte Unterstützung – „besonders von Bürgern mit hohem Einkommen, die politisch eher links stehen und hohes Vertrauen in die Regierung haben“ (Michael Pahle). Die Botschaft ist bitter: Viele Ökonomen und liberale Politiker schätzen die Präferenzen der Bürger falsch ein. Viele Menschen wollen, dass der Staat – paternalistisch und planwirtschaftlich – die Transformation regelt. Dafür wächst ihre Zahlungsbereitschaft trotz höherem CO2-Preis. Die liberale und marktwirtschaftliche Lösung (Zertifikate, CO2-Preis, Klimageld), die mithilfe von Anreizen darauf setzt, dass die Menschen (und Unternehmen) schon selbst merken, wann sich für sie der klimaneutrale Umstieg lohnt, ist ihnen offenbar suspekt. Politiker haben dafür ein feines Gespür; sie lieben den Paternalismus und die Subventionitis. Ökonom Pahle nennt das Verhalten der Politiker „Eulen nach Athen tragen“. Immerhin: Menschen, die Klimaschutz tendenziell ablehnen, lassen sich durch das Versprechen eines Klimageldes beschwichtigen, wenn es hinterher einen Scheck vom Finanzminister gibt. Ökonomen scheinen die Wirkung von Fairness-Konzepten zu überschätzen, wenn sie nicht intuitiv plausibel sind. Womöglich sollte deshalb über Alternativen der Rückverteilung nachgedacht werden, die den Fairness-Zusammenhang besser abbilden. Ifo-Chef Clemens Fuest schlägt zum Beispiel vor, statt eines Klimageldes die Umsatzsteuer zu senken. Das hätte unmittelbar eine soziale Komponente und wäre zudem administrativ deutlich einfacher als das Klimageld. So viel ist sicher: Die Frage der Lastenverteilung der Klimapolitik ist alles andere als geklärt.
Viel Spaß beim Lesen und nicht vergessen: es ist Mittwoch meine Kerle und Kerlinnen!!