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submitted 1 day ago* (last edited 1 day ago) by KasimirDD@feddit.org to c/dach@feddit.org

Wenn dieser nicht religiöse, für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige Warschauer Ghetto nimmt und dort niederkniet – dann kniet er da also nicht um seinetwillen. Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bitte um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.

--Hermann Schreiber in Der Spiegel 51/1970

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[-] aaaaaaaaargh@feddit.org 16 points 1 day ago

Unsere jetzigen Politiker sorgen immerhin dafür, dass ein zukünftiger Politiker von der Größe Brandts bald wieder einen Grund zum hinknien hat.

[-] KasimirDD@feddit.org 20 points 1 day ago

Ich wünschte mir, auch nur einer der Politiker in unserer aktuellen Regierung hätte einen Bruchteil dieser Größe.

[-] squaresinger@lemmy.world 18 points 1 day ago

Oh, ich bin mir sicher dass genügend Politiker dazu bereit wären, wenn ihnen das 5% bei der nächsten Wahl bringen würde.

Wir als Wahlvolk hingegen haben entschieden, dass Rückgrat nicht relevant ist. Entweder wählen wir moralisch völlig kaputte Leute "weil eh alle Politiker so sind", oder wir wählen Leute mit etwas mehr Rückgrat nur um sie zu kreuzigen, wenn sie uns mal nicht nach dem Mund reden.

Habeck halte ich schon eher für einen Rückgrat-Träger. Wie sehr hat ihm das bei der letzten Wahl geholfen?

Über Politiker schimpfen ist eine Sache. Aber wir, das Wahlvolk, entscheiden, welche Werte bei Politikern wichtig sind. Und wir haben die letzten Jahrzehnte über laut und deutlich kommuniziert, dass uns Integrität völlig egal ist. Und die Politiker haben zugehört.

[-] aaaaaaaaargh@feddit.org 2 points 20 hours ago

Das halte ich für verkürzt. Sag mir doch mal, wie ich genau wählen soll, so dass

  • meine Stimme einen Effekt hat
  • ich NUR korrekte Politiker wähle
  • die zudem meine Interessen vertreten

Richtig, das ist nicht möglich. Alle wissen, dass die großen Parteien höchstens mehr oder weniger scheiße sind und die kleinen leider nichts bewirken, die Gefahr der Nazis zu bekämpfen. Das wiederum ist ein Teufelskreis, weil sich nur durch rückgratlose Handlanger wie dieser Witzfigur, die sich gerade irgendjemandes Kanzler nennt, das ganze aufschieben, aber keinesfalls aufhalten lässt.

Es bräuchte wirklich große Initiative der Bevölkerung, ganz klar hier in eine andere Richtung (links) zu wählen und dort ist das Angebot leider mit der ebenfalls selbsternannten "Linken" (absolut übergriffig meiner Meinung nach) nicht gerade gut.

Nimmst du dann gemäßigte Linke wie die Grünen, bashen die Springersoldaten gleich drauf ein, bis doe durchschnittlichen, mäßig politisch interessierten Wähler wieder denken, dass sowas wie die CxU wählbar ist und irgendeine Form von Lösung bietet, die über den eigenen Kontostand hinausgeht.

Wäre ich nicht selbst so lethargisch, würde ich sagen, das schreit einfach nach Revolution.

[-] squaresinger@lemmy.world 4 points 19 hours ago

Du exemplifizierst hier genau das Problem der liken Seite.

Alles muss perfekt sein ("NUR korrekte Politiker"), aber selber was machen außer schimpfen ist nicht drin. Gleichzeitig noch mal vorausschauend die Verantwortung für alles an die Springerpresse abschieben ("ICH kann nicht die Grünen wählen weil sonst die Springerpresse die CxU an die Macht bringt!").

Willy Brandt war auch nicht "NUR korrekt". Der hat auch genügend Fehler gemacht. Aber damals hat man noch nicht die wahnsinnige Vorstellung gehabt, dass ein linker Politiker der Messias sein muss um wählbar zu sein.

Desweiteren beginnt und endet politische Teilhabe nicht mit dem Kreuz am Wahlzettel. Will man was weiter bringen dann kann man einer Partei beitreten sich dort einbringen. Die meisten Parteien, insbesondere die auf der linken Seite des Spektrums, haben interne demokratische Strukturen, wo die Mitglieder mitbestimmen können.

Aber klar, wenn vor lauter Angst vor der Springerpresse nicht mal wählen geht, dann gibt's recht wenig was man tut.

[-] RoflmasterBigPimp@feddit.org 5 points 19 hours ago* (last edited 18 hours ago)

Du exemplifizierst hier genau das Problem der liken Seite. Alles muss perfekt sein (“NUR korrekte Politiker”), aber selber was machen außer schimpfen ist nicht drin.

Treffer versenkt! Du glaubst gar nicht wie sehr mich das schon aufgeregt hat!

Ich bspw. bin Parteimitglied in der Linken. Ich bin aber kein Kommunist und vertrete auch nicht alles was die Linke macht. Aber lieber suche ich mir eine Partei mit der größten Übereinstimmung und versuche dann in der Partei an den letzten Punkten zu arbeiten anstatt einfach fucking GAR NICHTS zu tun!

Aber ich werde fast Wahnsinnig wenn Leute auf die Politik schimpfen ABER IRHREN SCHEIß ARSCH NICHT HOCHBEKOMMEN!

Manche wirken so als würden die einfach darauf warten das die perfekte Partei mit den perfekten Politikern vom Himmel fällt.

Weil alles andere wäre ja zu viel Aufwand und Parteipolitik kann nicht machen weil Parteien ja knallhart und absolut von oben nach unten regiert werden.../s

Es tut so gut mal jemanden zu lesen den das genauso auf die nerven geht! 🤝

[-] squaresinger@lemmy.world 3 points 18 hours ago

Ich denke, dass ist echt was die linken Parteien am stärksten zurückhält. Also dieser Perfektionsanspruch kombiniert mit dem Anspruch, dass einem die perfekte Politik am Silbertablett serviert werden soll.

Die Rechten haben beide Probleme nicht, eher im Gegenteil. Die sind selbst mit offen korrupten Politikern zufrieden und verschicken auch gern mal Morddrohungen wenn mal ein paar Parkplätze einem Redesign geopfert werden würden.

Ich kann jetzt nicht sagen, dass ich diese Art der der Partizipation toll finde, aber sie funktioniert im Gegensatz zu der Inaktivität und Selbstzerfleischung, die man am linken Ende des Spektrums sieht.

[-] aaaaaaaaargh@feddit.org 1 points 14 hours ago

Langsam, ich habe nicht gesagt, dass man nicht wählen gehen soll, sondern mir ging es nur darum, das Dilemma aufzuzeigen, das man dabei im Kopf hat. Okay, ich verstehe, dass man das so lesen kann, das war wohl mein Fehler, hätte ich deutlicher machen sollen.

Ich wollte damit eigentlich das gleiche wie du sagen, nämlich, dass Kompromisse erforderlich sind, ich aber mittlerweile denke, dass es mehr braucht, um dieses skizzierte Denkmuster zu durchbrechen, weil die Enttäuschungen über die letzten Wahlen leider nunmal nicht zu ignorieren sind.

Ich spreche ja explizit von denen, die sich nicht intensiv mit Politik befassen aber unzufrieden sind und da spielen Parteien wir Springer absolut rein. Das ist nicht nur ein Nebeneffekt, den man so weg denken kann, ich fürchte, da unterschätzt du gewaltig die Kraft der rechten Medien.

Dass es nicht möglich ist, die perfekte Partei zu wählen, steht außer Frage. Dass Brandt auch seine dunklen Seiten hatte, ist mir durchaus bekannt, darum geht es mir auch nicht. Versetz dich aber mal gedanklich in die Rolle der durchschnittlichen Bevölkerung, die das alles nicht so differenziert weiß wie du es tust.

Dass die Linke durch die Aneignung dieses Namens übergriffig war, dazu stehe ich. Ich hab nie verstanden, wie man ein so vielfältiges Spektrum so allgemein fassen kann und diese diffuse Streuung von Ideologien spürt man meiner Ansicht nach auch. Die Grünen wären hier wohl eine etwas gemäßigte Alternative und so würde ich mich auch wieder bei Wahlen entscheiden. Aber halt nicht der Großteil, wir es mehr als offensichtlich geworden ist, weil dort dieses Denkmuster gezielt propagiert wird.

Aber ja, im Grunde stimmt ja, was du sagst, es ist das absolute Exempel des Kernproblems.

[-] Shipgirlboy@sh.itjust.works 12 points 1 day ago

Und deswegen wird man sich auch noch in hundert Jahren an diesen Kniefall erinnern, während der von diesem einen food blogger schon heute vergessen ist.

[-] luciferofastora@feddit.org 5 points 1 day ago

Was war der zweite? Ich kann höchstens raten, wer der Blogger ist, aber erinner mich an keinen Kniefall.

[-] Shipgirlboy@sh.itjust.works 7 points 21 hours ago

Könich Maggus von Bayern war letztes Jahr in Warschau und wollte einen auf Willy Brandt machen. Natürlich nur halbherzig auf ein knie runtergegangen und das ganze wirkte mehr inszeniert als gefühlt und die einzigen die das toll fanden waren er selber und wohl seine engsten Speichellecker.

[-] Cliff@feddit.org 3 points 1 day ago

Jetzt hast du mich daran erinnert. Hatte es tatsächlich schon vergessen.

[-] trollercoaster@sh.itjust.works 14 points 1 day ago

Politiker mit Rückgrat, Verantwortungsbewusstsein und Integrität.

Eine schon längst ausgestorbene Art.

[-] A_norny_mousse@feddit.org 4 points 1 day ago

Wir brauchen mehr solche Ermahnungen. Zu viele haben vergessen was nach dem 2. WK geleistet wurde in D-land. Und viele wahrsch. auch was davor wirklich geschehen ist.

this post was submitted on 07 Dec 2025
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